Lecture: 20100 Vertragliche Schuldverhältnisse mit Vertragsgestaltung (WiSe 21/22)
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Anonymous 03.11.2021, 17:06
Kompatibilität
Sehr geehrter Professor Riehm.
In meiner Übung wurde der Fall einer Lieferung zu kleiner Hüllen für elektronische Geräte angesprochen - m.M.n könnte man darunter im Rahmen der Beschaffenheit auf die fehlende Kompatibilität abstellen, Sie sprachen jedoch in der Vorlesung an, dieser Begriff beziehe sich nur auf digitale Produkte.
Muss ich also Kompatibilität nur im "technischen" Sinne verstehen oder könnte mein Fall auch unter diesen Begriff fallen?
Ich danke Ihnen für eine Antwort!
Mit freundlichen Grüßen
 
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Anonymous

Guten Tag,
vielen Dank für Ihre Frage! Der Begriff der Kompatibilität wurde tatsächlich bisher nur mit Bezug auf digitale Güter, insbesondere Software verstanden. Das bedeutet aber nicht, dass der Begriff jetzt, da er sich im Gesetz befindet, kein „Eigenleben“ entwickeln und auch auf andere Fälle erstreckt werden kann, in denen es auf ein „Zusammenpassen“ der Kaufsache mit anderen Gegenständen ankommt. Problematisch ist das m. E. nicht, weil es hier jedenfalls um die Frage geht, ob sich die zu kleine Hülle „für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet“ (§ 434 II 1 Nr. 2 BGB), sodass bei fehlender Eignung auf jeden Fall ein Sachmangel vorliegt. Die genaue Abgrenzung zur fehlenden Kompatibilität scheint mir noch nicht geklärt, und beide Auffassungen scheinen mir vertretbar; im Ergebnis dürfte es keine Abweichungen geben, weil auf jeden Fall die Sache nicht den subjektiven Anforderungen entspricht.
Beste Grüße
Prof. Dr. Thomas Riehm


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Anonymous 08.11.2021, 08:05
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Riehm,

im angesprochenen Fall stand dazu im Sachverhalt: "Im Rahmen der Vertragsverhandlungen fragt K den V, ob alle Hüllen für die Geräte des H groß genug seien. V weist darauf hin, dass alle von ihm produzierten Hüllen dasselbe Format hätten und für die Geräte des H ausgerichtet seien. K bestellt daraufhin...".
Demnach wurde die Eignung zur Verwendung als Hülle lediglich in den Vertragsverhandlungen besprochen und nicht unmittelbar im mündlichen Vertrag, da ja K erst "daraufhin" seinen Antrag abgibt.
Kann man die Äußerung des V trotzdem durch Auslegung des Vertrags unter Berücksichtigung der äußeren Umstände inkl. der Vertragsverhandlungen dem Vertrag zuordnen und eine Abweichung iSd §434 II 1 Nr. 2 BGB bejahen?

Vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
Anonymous

Guten Tag,
und vielen Dank für Ihre scharfsinnige Frage. Die grundsätzliche Trennung zwischen "vertraglich vereinbart" bzw. "nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung" auf der einen Seite und den öffentlichen Angaben (§ 434 III Nr. 2 b) BGB) auf der anderen Seite ist bei mündlichen oder konkludent geschlossenen Verträgen weniger strikt durchzuhalten als bei schriftlichen oder gar notariell beurkundeten Verträgen. Die Gespräche unmittelbar vor dem mündlichen Vertragsschluss sind in der Regel Gegenstand der mündlichen vertraglichen Einigung, sodass hier tatsächlich eine "vertraglich vorausgesetzte Verwendung" vorliegt, wenn die Parteien im Rahmen des Vertragsschlusses über diese Verwendung gesprochen haben und der Verkäufer sie zugesagt hat. Dementsprechend würde ich hier § 434 II 1 Nr. 2 BGB bejahen und § 434 III Nr. 2 b) BGB verneinen, zumal die Äußerungen hier ja nicht öffentlich, sondern im Rahmen eines konkreten Vertragsgesprächs erfolgt sind.
Beste Grüße
Prof. Dr. Thomas Riehm


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