Der Mensch zeichnet sich seit jeher (auch) durch den Gebrauch und die Entwicklung von Technik aus. Schon der Faustkeil gibt dem Menschen eine Macht, die er ohne diese Technik nicht hätte, das Katapult lässt David über Goliath siegen und Pflug, Buchdruckpresse und Dampfmaschine hatten zweifellos Auswirkungen auf gesellschaftliche Entwicklung. Arnold Gehlen bezeichnete den Menschen daher als Mängelwesen, das, anders als das Tier, auf Technik angewiesen ist, um überlebensfähig zu sein. Helmuth Plessner formuliert die „natürliche Künstlichkeit“ als ein anthropologisches Grundgesetz – der Mensch als exzentrisch positionales Selbst zeichnet sich dadurch aus, dass ihm die Künstlichkeit natürlich ist. Digitalisierung als das heterogene Phänomen von Internet, Algorithmen, künstlicher Intelligenz, Robotik, etc. ist vor diesem Hintergrund nicht mehr als eine weitere technische Entwicklung. Wie andere vor ihr eröffnet sie neue menschliche Handlungsspielräume, Effizienz- und Machtgewinne – und wie andere Techniken vor ihr verändert sie Gesellschaft und mit dieser das, was und wie der Mensch sein kann. Doch wohin geht diese Entwicklung? Welche Imaginationen von Mensch und Welt treiben die Digitalisierung an? Wessen Leitbilder fließen in diese Entwicklung ein? Und auch: wessen Interessen und Ressourcen? Wie viele technische Neuerungen vor ihr verspricht auch Digitalisierung vor allem Erleichterungen, Verbesserungen, Fortschritt und Errungenschaften. Doch wie die Geschichte lehrt, ist Risiko spätestens in der modernen Wissensgesellschaft die andere Seite der Innovation, geht Fortschritt mit unerwünschten Nebenwirkungen für Umwelt und Mensch einher, bleibt neue Technik nicht ohne Wirkung auf gesellschaftliche Macht- und Herrschaftsverhältnisse. Vor diesem Hintergrund werden im Seminar unter dem Stichwort „Digitaler Humanismus“ drei zentrale Fragestellungen verhandelt: Erstens geht es darum, wie Digitalisierung den Menschen verändert. Welche Handlungsoptionen entstehen durch diese neue Technik, wie verändert sich Gesellschaft, welche Chancen und Risiken liegen darin? Wenn das Künstliche dem Menschen natürlich ist – was ist die menschliche Natur einer digitalen Künstlichkeit? Zweitens geht es darum, ob und inwieweit das Digitale selbst einen Anspruch auf das Humane stellen kann. Wenn künstliche Intelligenz den Menschen in manchen Bereichen bereits überlegen ist, wenn sie, wie der Mensch und als erste aller Techniken, selbst lernfähig ist – entsteht hier ein perfektes Wesen, dem gegenüber der Mensch eben vor allem eines ist, nämlich mangelhaft? Drittens schließlich stellt sich die Frage, wie ein „digitaler Humanismus“, ein um das Digitale veränderter Mensch und eine vom Menschen hervorgebrachte Digitalisierung aussehen sollte. Während die ersten beiden Fragen eher nüchtern bisherige Entwicklungen in den Blick nehmen, geht es hier um eine kritische Diskussion. Den Menschen zeichnet nicht nur seine natürliche Künstlichkeit aus, sondern auch sein utopischer Standort: Er ist, aber er kann auch hinter sich zurücktreten und fragen, wie er sein will. Wie also will der Mensch seine Digitalisierung gestalten? Welche Werte sollen gelten, wie können diese gelten und welche Hindernisse stellen sich dem entgegen? Digitaler Humanismus ist so die menschliche, das heißt: utopischreflexive, Gestaltung der eigenen Existenz im Zeichen der Digitalisierung.
Admission settings
The course is part of admission "Zeitgesteuerte Anmeldung: Digitaler Humanismus".
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The enrolment is possible from 04.02.2020, 00:00 to 22.04.2020, 12:06.
Registration mode
After enrolment, participants will manually be selected.
Lehrveranstaltung mit vorläufiger Anmeldung. Vorrang für Studierende, die am Bachelormodul "Global Justice and Business Ethics" teilnehmen.
Die Anwesenheit in den ersten beiden Sitzungen ist verpflichtend.