Universität Passau
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Anonym 02.01.2022, 15:01
Fragen zum Werkvertragsrecht

Sehr geehrter Herr Professor Riehm,

mir haben sich bei der Nachbereitung der Werkvertrags-Vorlesung einige Fragen gestellt.

Zunächst habe ich mich gefragt, inwiefern sich die (abweichend zum Kaufrecht) getrennte Regelung der Bestellerpflichten zur Entrichtung des Werklohns in § 631 I einerseits und der Abnahmepflicht in § 640 I andererseits auf die Art der Pflichten auswirken. Ist die Abnahmepflicht somit nur eine Nebenpflicht oder lediglich eine ausgesonderte Hauptpflicht?

Außerdem ist mir unklar, wie sich der § 640 III mit allgemeinen Wertungsgesichtspunkten vereinbaren lässt. Wahrscheinlich unterliege ich da einem Denkfehler, aber einerseits frage ich mich, wie man ein nicht unerheblich mangelhaftes Werk nach §§ 640 III, I 2 überhaupt nach § 640 I 1 als im wesentlichen vertragsgemäß abnehmen kann. Demnach könnte man es doch als treuwidriges/widersprüchliches Verhalten ansehen, wenn man sich trotz der Kenntnis des nicht unerheblichen Mangels seine Rechte vorbehält und das Werk trotzdem wie oben geschildert als vertragsgemäß abnimmt, obwohl man ja schon von Vornherein die Abnahme verweigern und auf den Primärerfüllungsanspruch aus § 631 verweisen kann.

Vielen Dank im Voraus!

Mit freundlichen Grüßen

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Anonym
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Guten Tag,
vielen Dank für Ihre Fragen!
Zur ersten Frage: Ihre Differenzierung zwischen einer "Nebenpflicht" und einer "ausgesonderten Hauptpflicht" verstehe ich offen gestanden nicht. Abgesehen davon, dass die Differenzierung in "Hauptpflicht" und "Nebenpflicht" seit 2002 keine Bedeutung im Gesetz mehr hat (abgesehen evtl. vom Synallagma, wenn man die Begriffe hierfür verwendet, dazu gleich), ist mir nicht klar, was Sie mit "ausgesonderter Hauptpflicht" meinen. Es ist jedenfalls so, dass die Pflicht zur Zahlung des Werklohns eine synallagmatische Hauptleistungspflicht ist, die im Gegenseitigkeitsverhältnis zunächst zur Herstellungspflicht des Unternehmers, ab der Abnahme dann zur Nacherfüllungspflicht steht (mit der Besonderheit, dass wegen der Vorleistungspflicht des Unternehmers § 320 BGB erst ab Abnahme anwendbar ist). Die Pflicht des Bestellers zur Abnahme ist keine synallagmatische Pflicht, sondern eine "einfache Leistungspflicht", die man auch als "Nebenpflicht" bezeichnen kann, wenn man sich dabei darüber im klaren ist, dass sie gleichwohl unter § 241 I BGB fällt und nicht unter § 241 II BGB. 
Zur zweiten Frage: Die Abnahme eines nicht unerheblich mangelhaften Werkes erfolgt v.a. dann, wenn die Mängel nicht offensichtlich (oder nicht erkennbar) sind. In diesem Fall ist auch kein Vorbehalt der Mängelrechte erforderlich, weil ja nur bei bekannten Mängeln die Folge des § 640 III BGB eintritt. Dass man ein mangelhaftes Werk unter Vorbehalt der Mängelrechte abnimmt und im Anschluss Mängelrechte geltend macht, ist gerade das Gegenteil eines widersprüchlichen Verhaltens: Durch den Vorbehalt bringt der Besteller ja gerade zum Ausdruck, dass er seine Mängelrechte noch geltend machen will und auf diese gerade nicht verzichtet. In der Regel wird wegen erkannter nicht unerheblicher Mängel in der Tat die Abnahme verweigert werden (berechtigterweise, § 640 I 1, 2 BGB); der Besteller kann aber gleichwohl ein Interesse an der Abnahme haben, etwa um sich das Selbstvornahmerecht aus § 634 Nr. 2, 637 BGB zu sichern, das nach dem BGH eine Abnahme voraussetzt (Details bei BeckOGK/Kober, § 634 Rn. 99 ff.).
Beste Grüße
Prof. Dr. Thomas Riehm

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riehm01
Offline Prof. Dr. Thomas Riehm
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