Universität Passau
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Anonym 03.01.2022, 14:39
Frage zur Aliud-Lieferung
Könnten Sie vielleicht erklären wie man eine Tilgungsbestimmung anfechten könnte - natürlich nur wenn man der Theorie folgt die dies zulässt - wenn man aber ansonsten der h.M. der Theorie der realen Leistungsbewirkung folgt, die davon ausgeht das Erfüllung etwas rein tatsächliches ist, also ohne Willenserklärung erfolgt? - vor allem relevant bei der Frage des besseren Aliuds
Und daran anknüpfend- wie man, wenn man die Möglichkeit der Anfechtung verneint, dem Schuldner überhaupt die Möglichkeit ansonsten einräumt, seine "bessere" Sache wieder zurückzubekommen, wenn der Gläubiger sich entschließt keine Gewährleistungsrechte in Anspruch zu nehmen. z.B. wenn der Schuldner statt eines geschuldeten Kugelschreibers einen unfassbar teuren Goldklumpen liefert.
Es erscheint falsch, dass der Schuldner den Goldklumpen nicht zurückkriegen können sollte - was wäre aber der Weg hierzu, wenn man auf die Erfüllung als etwas rein Tatsächliches abstellt
 

[Zuletzt editiert von Anonym - 03.01.22 - 14:50]
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Anonym
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Guten Tag,
vielen Dank für Ihre scharfsinnigen Fragen!
Das Problem der Tilgungsbestimmung und ihrer Anfechtung stellt sich tatsächlich besonders nach der Theorie der realen Leistungsbewirkung. Allerdings ist der wesentliche Einwand gegen diese Theorie, dass sie, wenn man sie nicht nur im Erfüllungsrecht, sondern auch im Bereicherungsrecht anwenden wollte, zu großen Problemen führen würde - insbesondere zu dem von Ihnen genannten (vertiefend dazu Grigoleit, 2. FS Medicus, 2009, S. 125 ff.). Jedenfalls für die bereicherungsrechtliche Betrachtung (die bei der Rückforderung des aliud ja im Zentrum steht) geht die hM daher von der Theorie der finalen Leistungsbewirkung aus (s. die Darstellung bei MüKoBGB/Schwab § 812 Rn. 54 f., dort auch am Beispiel des aliud mit Verweis auf die Gesetzesmaterialien).
Ihr Beispiel zeigt, dass das strikte Festhalten an der Theorie der realen Leistungsbewirkung auch im Bereicherungsrecht u.U. tatsächlich in eine Sackgasse führen kann. Eine andere Lösungsmöglichkeit könnte hier immerhin - in bestimmten Fällen, je nach Sachverhalt - darin bestehen, dass man die Übereignung des Goldklumpen als irrtumsbedingt ansieht (Eigenschaftsirrtum gem. § 119 II BGB) und daher die Einigung gem. § 929 S. 1 BGB anfechten lässt. Daraus folgt zwar kein Bereicherungsanspruch, aber eine Vindikation gem. § 985 BGB. Auch mit dieser erhielte er seinen Goldklumpen zurück. Das hilft aber nur dann, wenn der Verkäufer bei der Übereignung tatsächlich dachte, der Goldklumpen sei ein Kugelschreiber. Wenn er dagegen dachte, er würde nach dem Kaufvertrag einen Goldklumpen schulden, und genau diesen übereignen wollt, scheidet diese Anfechtung aus - da hilft dann tatsächlich nur die Anfechtung der Tilgungsbestimmung, die die hM dann auch zulassen würde (und dabei stillschweigend ignorieren würde, dass es nach der Theorie der realen Leistungsbewirkung eine solche gar nicht geben dürfte).
Vielleicht könnte man es kurz auch so zusammenfassen: Die hM von der realen Leistungsbewirkung nimmt eine Tilgungsbestimmung überall dort an, wo sie rechtlich erforderlich ist (Drittleistung gem. § 267 BGB, Auswahl unter mehreren Forderungen gem. § 366 I BGB) - erforderlich ist sie auch dann, wenn der Leistende sie nachträglich anfechten will (im praktischen Ergebnis wären wir dann bei der Theorie der finalen Leistungsbewirkung, die ich ohnehin für die richtige halte).
Beste Grüße
Prof. Dr. Thomas Riehm

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riehm01
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Anonym 05.01.2022, 12:09
Vielen Dank für Ihre Antwort!
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