Universität Passau
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Sehr geehrter Herr Professor Riehm,

ich verstehe noch nicht ganz, wann man in Klausuren ausführlicher auf das Vertretenmüssen eingehen muss und wann nicht. Man liest ja oft in Falllösungen schlicht "Das Vertretenmüssen wird vermutet gem. § 280 I 2 BGB" ohne weitere Ausführungen. Muss ich also auf eine mögliche Entlastung durch den Verkäufer (zB in dem Fall, dass er nicht jede einzelne Sache untersuchen muss, wenn er nicht Hersteller ist oder auch andere Fälle, in denen er sich möglicherweise entlasten könnte) nur eingehen, wenn dazu im Sachverhalt etwas gesagt wird (und hier dann auch nur, wenn der Verkäufer dies explizit vorträgt?) und kann ansonsten, falls der Sachverhalt (bzw der Verkäufer) nichts dazu sagt, einfach auf die Vermutung abstellen? Oder sollte ich zum Vertretenmüssen immer Ausführungen machen und darauf abstellen, dass es ohnehin vermutet wird?

Vielen Dank im Voraus für Ihre Antwort und auch für Ihre anderen Forum-Antworten, die jedes Mal wirklich sehr hilfreich sind!

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Anonym
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Guten Abend,
vielen Dank für Ihre Frage! Das Vertretenmüssen müssen Sie in einer Fallprüfung jedenfalls immer erwähnen. Dann kann der Satz "Das Vertretenmüssen wird gem. § 280 I 2 BGB vermutet; Anhaltspunkte für eine Entlastung des Schuldners sind dem Sachverhalt nicht zu entnehmen" völlig genügen - wenn dem Sachverhalt keine solchen Anhaltspunkte zu entnehmen sind.
Auf den konkreten Vortrag speziell durch den Schuldner kommt es in "normalen" rein materiellrechtlichen Klausuren nicht an, das ist nur in einer prozessualen Konstellation relevant. Solange Sie einen feststehenden Sachverhalt präsentiert bekommen und ein rein materiell-rechtliches Gutachten erstellen, müssen Sie alle darin enthaltenen Elemente berücksichtigen, egal von wem sie im Sachverhalt vorgebracht werden oder ob sie "einfach nur" darin als feststehend beschrieben sind.
Dementsprechend ist auch die Information, dass der Verkäufer ein Warenhändler ist, eine zu berücksichtigende Information, aus der folgt, dass er sich hinsichtlich einer mangelhaften Kaufsache exkulpieren kann, wenn ihn keine Untersuchungspflicht trifft und der Mangel nicht bei oberflächlicher Prüfung erkennbar war (zB bei beschädigter Verpackung). Dann ist dem Sachverhalt eben doch ein Anhaltspunkt zu entnehmen, der den Verkäufer exkulpieren kann, und das müssen Sie im Anschluss ansprechen. Wenn sich das Vertretenmüssen auf die Nicht-Nacherfüllung bezieht, sieht es noch einmal anders aus, denn dann müssen Sie dort noch einmal separat prüfen, ob sich der Verkäufer auch insoweit exkulpieren kann; das ist allerdings schwer vorstellbar.
Beste Grüße
Prof. Dr. Thomas Riehm

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riehm01
Prof. Dr. Thomas Riehm
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