Universität Passau
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Sehr geehrter Prof. Riehm,
da der Nacherfüllungsanspruch ja vorrangig ist, wurde in meiner Übung empfohlen, ihn immer anzuprüfen, auch wenn es offensichtlich um Gewährleistungsrechte geht.
Ich wollte nochmal nachfragen, ob Sie das auch machen würden oder sich die Zeit "für wichtigeres sparen" würden.
Außerdem: Was schreibe ich  innerhalb des Nacherfüllungsanspruches, wenn dieser eigentlich besteht, der Käufer aber eine Frist gesetzt hat/ diese wegen Verweigerung entbehrlich ist und ich demnach in die Gewährleistungsrechtsprüfung wechsele?
Spreche ich schon hier die Fristsetzung an? Das ergibt ja eigentlich keinen Sinn. Oder schreibe ich einfach "Grundsätzlich bestünde der Nacherfüllungsanspruch?"
Da ich bisher immer sofort die Gewährleistungsrechte und innerhalb dieser die erfolglos verstrichene Nacherfüllungsfrist geprüft habe, bin ich da gerade verwirrt, entschuldigen Sie die banale Frage.
Danke
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Anonym
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Guten Tag,
danke für Ihre Frage! Den Tipp, den Nacherfüllungsanspruch immer anzuprüfen, kann ich nicht nachvollziehen. Jede Klausurbearbeitung muss von der Fallfrage ausgehen. Wenn dort steht: Kann der Käufer seinen Kaufpreis zurückverlangen? oder Kann der Käufer Schadensersatz für die Vornahme eines Deckungsgeschäfts verlangen?, dann ist es evident falsch, mit einem Anspruch auf Nacherfüllung anzufangen - der kann sie der Antwort auf die Fallfrage nicht näherbringen.
Sie könnten bei dieser Prüfung auch nichts zeigen, was Sie nicht ohnehin an anderer Stelle zeigen können: Die Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs sind ja 1. Wirksamer Kaufvertrag, 2. Sachmangel bei Gefahrübergang, 3. Kein Gewährleistungsausschluss (4. Wahl einer Nacherfüllungsvariante). Diese Voraussetzungen gelten für Rücktritt und Schadensersatz wegen Sachmängeln genauso, sodass Sie dort alles "unterbringen" können, auch Einreden gegen den Nacherfüllungsanspruch (zB § 439 IV BGB im Rahmen des § 440 BGB).
Daher würde ich den Nacherfüllungsanspruch immer nur dann prüfen, wenn nach ihm gefragt ist, also wenn entweder direkt nach Reparatur/Nachlieferung gefragt ist oder allgemein nach den Rechten/Ansprüchen des Käufers.
Damit dürfte sich auch Ihre zweite Frage erledigen: Die Fristsetzung sprechen Sie dann an, wenn Sie ein Gewährleistungsrecht prüfen, das eine solche voraussetzt (Rücktritt, Minderung, SE statt der Leistung, im Werkvertrag auch die Selbstvornahme). Genauso schildern Sie es auch am Ende Ihres Beitrags - dabei würde ich an Ihrer Stelle bleiben.
Abschließend: Wenn nach dem Nacherfüllungsanspruch (oder allen Rechten/Ansprüchen) gefragt ist und der Käufer schon fruchtlos eine Frist gesetzt hat, ändert sich nichts: Der Nacherfüllungsanspruch geht ja erst unter, wenn der Käufer Rücktritt oder Minderung erklärt oder SE statt der Leistung verlangt (§ 281 IV BGB). Bis dahin besteht der Nacherfüllungsanspruch trotz Fristablaufs fort.
Beste Grüße
Prof. Dr. Thomas Riehm

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riehm01
Offline Prof. Dr. Thomas Riehm
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Anonym 20.01.2022, 16:38
Vielen lieben Dank für die schnelle und ausführliche Antwort!
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Anonym
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