Universität Passau
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Sehr geehrter Herr Prof. Rhiem, 

mir stellt sich noch die ein oder andere Frage bezüglich der Schadensersatzansprüche im Gewährleistungsrecht. Habe ich es richtig verstanden, dass: 

1. Nach Ablauf einer Frist/ angemessenen Zeit zur Nacherfüllung kann der Käufer durch die Verweisungsnorm von § 437 i.V.m § 281 Schadensersatz statt der Leistung fordern bzw. bei Unmöglichkeit der Nacherfüllung i.V.m. § 283 / § 311a II BGB. Hierbei kann zwischen Schadensersatz statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) und Schadensersatz statt der ganzen Leistung (großer Schadensersatz) gewählt werden. 
2. Neben bzw. zusätzlich zu dem Schadensersatz statt der Leistung kann der Käufer auch Schadensersatz neben der Leistung fordern im Rahmen der Mangelfolgeschäden. Dies sind Schäden, die nicht an der Kaufsache selbst, sondern durch den Mangel an anderen Rechtsgütern des Käufers entstehen. 
--> Hier stellt sich mir schon die erste Frage: wenn bei einem Mangelfolgeschaden die Nacherfüllung möglich ist, der Schaden allerdings vor Ablauf der Nacherfüllungsfrist entsteht, hätte dieser ja durch Nacherfüllung nicht beseitigt werden können. Das deutet auf Schadensersatz neben der Leistung hin. Wenn der Mangelfolgeschaden nun allerdings bei Möglichkeit der Nacherfüllung nach Fristablauf auftritt, kann der Käufer dann Mangelfolgeschaden mithilfe von Schadensersatz statt der Leistung verlangen? Schließlich hätte sich der eingetretene Schaden durch eine ordnungsgemäße Nacherfüllung vermeiden lassen. Oder gilt trotzdem Schadensersatz neben der Leistung, da ja das Integritätsinteresse betroffen ist? Ist es beim Mangelfolgeschaden also entscheidend, ob der Schaden vor oder nach Ablauf der Nacherfüllungsfrist auftritt? 
(Beim Betriebsausfallschaden ist es ja scheinbar relevant, ob der Folgeschaden vor oder nach Ablauf der Nacherfüllunsfrist auftritt. Gilt dies auch für den "normalen" Mangelfolgeschaden?) 
3. Außerdem gibt es noch den Verzögerungsschaden durch Verzögerung der Nacherfüllung gemäß § 280 I, II, § 286 BGB. Wann kann der Käufer denn diesen Schaden geltend machen? Wenn sich die Nacherfüllung verzögert, ist sie ja bei Fristablauf nicht vorgenommen worden. Bezüglich der Mängel an der Kaufsache erfolgt dann ja Schadensersatz statt der Leistung. Bezüglich der Mängel, die an anderen Rechtsgütern entstehen, müssten doch dann die Regeln über den Mangelfolgeschaden (wenn Nacherfüllung möglich ist und der Schaden nach Ablauf der Frist, also durch die Verzögerung eintritt) angewendet werden, oder? Mir erschließt sich nicht ganz, in welchen Fallkonstellationen man einen Verzögerungsschaden wegen Verzögerung der Nacherfüllung geltend machen kann und inwieweit sich dieser dann vom Mangelfolgeschaden unterscheidet bzw. warum man zusätzlich zum Mangelfolgeschaden noch einen Verzögerungsschaden geltend machen kann, obwohl dieser doch tatbestandlich (abgesehen von der Mahnung) vom Mangelfolgeschaden abgedeckt wird. 

Schon einmal vielen herzlichen Dank im Voraus! 

Mit freundlichen Grüßen,
Luisa ​​​​​​​Meier 

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meier106
Offline Luisa Meier
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Sehr geehrte Frau Meier,
vielen Dank für Ihre Fragen, die ich eigentlich gar nicht beantworten kann. Sie haben die Problematik der Abgrenzung der Schadenskategorien voll erfasst, und sehen, an welchen Punkten man unterschiedlicher Auffassung über die Einordnung bestimmter Schadensposten in bestimmten Konstellationen sein kann. Alle von Ihnen erwogenen Hypothesen zur Einordnung als Schadensersatz statt oder neben der Leistung werden in der Literatur auch vertreten, und sind daher auch für Sie in einer Klausur vertretbar. Wichtig ist dann die Begründung, mit der Sie sich für eine dieser Auffassungen entscheiden. In diesem Zusammenhang kann es zB wichtig sein zu überlegen, ob das Fristsetzungserfordernis (mit dem damit verbundenen Recht des Verkäufers zur zweiten Andienung) sinnvoll ist, oder - im Fall des Verzögerungsschaden - ein Mahnungserfordernis.
Vielleicht nur ein Punkt zu Ihrer Frage zum Verzögerungsschaden: Ein klassischer Verzögerungsschaden im Hinblick auf die Nacherfüllung sind die Anwaltskosten für die Durchsetzung des Nacherfüllungsanspruches - das ist so ziemlich der einzige unstreitige Fall.
Wenn Sie mich nach meiner persönlichen Meinung fragen: Aus meiner Sicht zeigen Ihre Beispiele, die Sie auf der Grundlage der "Zauberformel" (zutreffend) zu lösen versuchen, dass eben dieser zeitliche Fokus der "Zauberformel" sachlich verfehlt ist. Nach der phänomenologischen Betrachtungsweise, die Sie ja auch zitieren, sind diese Fälle einfacher zu lösen, weil das jeweils betroffene Interesse klar ist - bei Mangelfolgeschäden eben immer das Integritätsinteresse und damit § 280 I BGB, mit Ausnahme des mangelbedingten Betriebsausfallschadens. Aber das ist nur mein Werbeblock für die phänomenologische Auffassung, die die von Ihnen aufgezeigten Probleme nicht aufwirft (dafür andere...) - er enthebt Sie nicht der Notwendigkeit, in einer Klausur dann, wenn Sie einen der von Ihnen präsentierten problematischen Einordnungsfälle vor sich haben, die unterschiedlichen denkbaren Lösungsansätze zu diskutieren und sich für eine Lösung entscheiden.
Beste Grüße
Prof. Dr. Thomas Riehm

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riehm01
Offline Prof. Dr. Thomas Riehm
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