Universität Passau
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Anonym 20.07.2023, 19:52
Erfüllung § 362

Sehr geehrter Herr Prof. Riehm,

wann und warum hat man sich bei der Falllösung die Frage zu stellen, ob eine subjektive Voraussetzung für den Eintritt der Erfüllungswirkung gem. § 362 I erforderlich ist? 
Wenn eine Bestimmung (z.B. "Miete Juni 2023") getroffen wird, warum kann nicht einfach § 366 I angewendet und due Tilgungsbestimmung bejaht werden? Wann muss der Streit zwischen der Vertragstheorie, der realen Leistungsbewirkung und der Tilgungsbestimmung aufgemacht werden? 

Vielen Dank und schönen Abend


[Zuletzt editiert von Anonym - 20.07.23 - 20:02]
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Anonym
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Guten Tag,
vielen Dank für Ihre Frage. § 366 I BGB hilft Ihnen leider seinem Wortlaut nach nicht weiter, denn der setzt voraus, dass "der Schuldner dem Gläubiger aus mehreren Schuldverhältinssen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet ist". Die unterschiedlichen Möglichkeiten zur Konstruktion der Erfüllung wirken sich aber auch dann aus, wenn es nur eine einzige Verbindlichkeit gibt. In aller Regel kommen sie aber zu den gleichen Ergebnissen und müssen daher nicht näher ausdiskutiert werden: In Ihrem Beispiel ist für alle Lösungsansätze klar, dass Erfüllung eingetreten ist.
Mögliche Problemfälle, in denen das nicht mehr eindeutig ist (ohne dass ich mir eine abschließende Aufzählung zutrauen würde), wären:

  • Leistung an und durch Minderjährige bzw. nicht voll Geschäftsfähige: Wer hier für die Erfüllung eine rechtsgeschäftliche Tilgungsbestimmung oder gar (kaum begründbar) einen Vertrag verlangt, muss Farbe bekennen, wie der Minderjährige die wirksam abgeben kann oder wie sie ihm zugehen kann (§ 131 BGB). Das lässt sich zwar begründen - wenn man aber schon gar keine Tilgungsbestimmung als rechtsgeschäftliche Erklärung annimmt, stellt sich die Frage nicht.
  • "Zufälliger" Eintritt des Leistungserfolgs (zB: Ein Werkunternehmer soll ein festgefahrenes Schiff aus dem Kanal befreien - das Schiff wird durch eine Flutwelle freigespült, bevor der Unternehmer anfangen kann): Hier hat man es leicht, die Erfüllung abzulehnen, wenn man eine Tilgungsbestimmung verlangt, denn die liegt keinesfalls vor. Lässt man die reine Leistungsbewirkung genügen, würde es schwieriger werden.
  • Eintritt des Leistungserfolgs auf andere Weise: Wir hatten beim Erfüllungsrecht in der Vorlesung einen Fall, in dem ein Subunternehmer letztlich auf eigene Rechnung die Leistung des Hauptunternehmers erbracht hat. Ohne Rekurs auf eine Tilgungsbestimmung kann man hier kaum beantworten, welche vertragliche Pflicht erfüllt werden sollte.
Letztlich ist auf die unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten also - wie immer - nur näher einzugehen, wenn sie zu unterschiedlichen Ergebnissen oder auch zu dem gleichen Ergebnis über unterschiedliche Argumentationswege führen. Wenn aber einfach nur eine Geldschuld bezahlt wird, dann gibt es tatsächlich nichts zu problematisieren.

Beste Grüße
Prof. Dr. Thomas Riehm
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riehm01
Offline Prof. Dr. Thomas Riehm
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