Universität Passau
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Sehr geehrter Herr Professor Riehm, 

zu der im Titel benannten Angelegenheit tat sich mir eine Frage auf. Dazu der Hintergrund: Ob eine ausgeübte Innenvollmacht anfechtbar ist, ist bekanntlich ein umstrittenes Thema. Die Positionen sind auf S. 234 des Vorlesungsskriptes anschaulich zusammengefasst. 
Ergo: Am Ende folgt die h.M. schlicht einer dogmatischen Anwendung des Gesetzes, lässt also Anfechtung zu (arg. § 143 III), wodurch dem Vertreter ex tun die Vertretungsmacht entzogen wird, er dadurch schadenersatzpflichtig ggb. dem Geschäftspartner für den entstandenen Vertrauensschaden wird (§ 179 I, II), um dann beim Geschäftsherrn Regress zu nehmen (§ 122). Die Ansicht, nicht die Vollmacht, sondern die unmittelbare Anfechtung des Vertretungsgeschäfts zuzulassen und folgerichtig auch eine unmittelbare SE-Pflicht des Geschäftsherrn ggb. dem Geschäftspartner zu begründen (§ 122), wird als Minderheitsmeinung bezeichnet. 

Im Vorlesungsfall "Anfechtung der ausgeübten Vollmacht" gleich im Anschluss an S. 234 wird genau dieses Problem dann in einen Fall verpackt. 

Hier wird jedoch nach meinem Dafürhalten in allen drei Anspruchsprüfungen die Terminologie der Meinungen vertauscht: Die h.L. begründe einen Direktanspruch, nur die M.M. gehe über § 179 I,II und erst dann § 122. 

Nach meinem Kenntnisstand ist die h.M. so wie auf S. 234 dargestellt. Stimmt das so? 

Schon im Voraus (erneut) recht herzlichen Dank für die Beantwortung meiner Frage. 

Beste Grüße

Lukas Gollwitzer

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gollwi03
Lukas Gollwitzer
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Sehr geehrter Herr Gollwitzer,
vielen Dank für die Frage! Zunächst eine kleine Vorbemerkung: Welche Meinung "herrschend" ist und welche "Mindermeinung", ist a) nicht streng definiert oder feststellbar und b) auch nicht wichtig - entscheidend ist eher, a) welche Lösungen man überhaupt vertretbar begründen kann und b) welche Sie für die überzeugendste halten. Ob sie dann - nach welcher Definition auch immer - "herrschend" ist oder nicht, ist egal.

In der Sache sind zwei Fragen zu unterscheiden:
- Was ist anzufechten, und
- in welchem Verhältnis gibt es den Schadensersatz?

Hinsichtlich der Anfechtungsgegenstandes vertreten nahezu alle Autor:innen, dass die Vollmacht anzufechten ist und nicht das Vertretergeschäft - hier ist das Verhältnis hM/MM ziemlich klar. Anders ist es beim Schadensersatz: Hier sagt eine wohl (!) überwiegende Meinung, dass es trotzdem den direkten Schadensersatz im Verhältnis Geschäftspartner - Geschäftsherr aus § 122 BGB geben soll, damit der Geschäftspartner nicht das Insolvenzrisiko des Vertreters und der Vertreter nicht das Insolvenzrisiko des Geschäftsherrn tragen soll. Das halte ich nicht für überzeugend, weil diese Lösung offenbar nur für die Irrtumsanfechtung durchgedacht wurde. sobald man aber den Fall so abwandelt, dass der Vertreter sich die Vollmacht durch arglistige Täuschung erschlichen hat, ist klar, dass diese Lösung nicht mehr funktionieren kann, sondern § 179 BGB im Verhältnis zwischen Geschäftspartner und Vertreter zur Anwendung kommen muss, sodass die Insolvenzrisiken tatsächlich "übers Eck" verteilt sind. Das halte ich auch für die Irrtumsanfechtung für angemessen, bin damit aber eher Anhänger einer Mindermeinung (for what it's worth...).
Beste Grüße
Prof. Dr. Thomas Riehm

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riehm01
Offline Prof. Dr. Thomas Riehm
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Sehr geehrter Herr Professor Riehm, 

besten Dank für die Antwort. Das hilft mir sehr weiter!

Beste Grüße

Lukas Gollwitzer

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gollwi03
Lukas Gollwitzer
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