Universität Passau
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Sehr geehrter Herr Professor Riehm,

mir tat sich in der Nachbetrachtung der Vorlesung eine Frage über die Tilgungsbestimmung auf.

Zunächst: Eine Tilgungsbestimmung nach § 366 BGB soll ihrem Inhalt nach eine bestimmte Rechtsfolge herbeiführen, nämlich konkret die Zuordnung der Erfüllungswirkung für eine bestimmte Schuld. Damit wird eine Rechtsfolge, hier die Zuordnung der Tilgung einer Schuld (zumindest teilweise), herbeigeführt. Kann man die Tilgungsbestimmung somit rechtlich als Willenserklärung einordnen?

Daran schließt sich dann meine nächste Frage an, ob diese dann folglich auch anfechtbar bei Vorliegen eines Irrtums bei der Abgabe (bspw. § 119 BGB) ist, wenn der Schuldner, gegen den mehrere Hauptforderungen eines Gläubigers bestehen, sich beispielsweise im Feld für die Angabe Verwendungszweckes vertippt bzw. verschreibt (Erklärungsirrtum nach § 119 I Alt. 2 BGB)?

Welche Rechtsfolgen hätte das, wenn diese Bestimmung angefochten ist? Würde mit der Leistung gemäß § 366 II BGB verfahren werden, da eine „unwirksame“ und damit unbeachtliche (bzw. „keine“) Tilgungsbestimmung abgegeben wurde oder tritt mit der Leistung des Schuldners aufgrund der angefochtenen Tilgungsbestimmung keine Erfüllungswirkung ein, was einen Anspruch des Schuldners aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB auf Rückübereignung des Geleisteten begründen könnte, es wird ja ohne Erfüllungswirkung und somit auch ohne rechtlichen Grund etwas (das Geleistete) erlangt? Wie bestimmt sich dann der Anspruch des Gläubigers auf Ersatz des Vertrauensschadens gem. § 122 I BGB, insbesondere für den Fall, dass der Anspruch in Folge der Anfechtung und der ausbleibenden Erfüllungswirkung wieder aufleben würde, aber wegen zwischenzeitlicher Ablauf der Verjährungsfrist verjährt ist?

Ich hoffe, dass ich nichts Fundamentales in meinen Gedanken außer Acht gelassen habe.
Im Voraus einen herzlichen Dank für Ihre Antwort!

Mit freundlichen Grüßen
Fabian Ring


[Zuletzt editiert von Fabian Ring - 02.03.23 - 22:18]
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ring07
Offline Fabian Ring
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Sehr geehrter Herr Ring,
vielen Dank für Ihre schlaue Frage. Sie haben in der Tat nichts Fundamentales außer Acht gelassen. Die Rechtslage ist praktisch genau so, wie Sie sie beschrieben haben - jedenfalls wird das alles auch so vertreten.
Hinsichtlich der Rechtsnatur der Tilgungsbestimmung ist umstritten, ob es sich um eine Willenserklärung oder um eine geschäftsähnliche Handlung handelt. In beiden Fällen soll aber eine Anfechtung möglich sein. Auch die Rechtsfolge der Anfechtung ist umstritten, wobei alle von Ihnen angedachten Lösungen (Recht zur erneuten Bestimmung, Rechtsfolge des § 366 II BGB, Bereicherungsanspruch des Schuldners) vertreten werden.
Auch der von Ihnen erwogene Schadensersatzanspruch wegen zwischenzeitlich eingetretener Verjährung (oder Insolvenz) ist denkbar; allerdings ist zu beachten, dass der Gläubiger die Aufrechnung erklären kann und das Aufrechnungsrecht u.U. sowohl die Verjährung (§ 215 BGB - nur, wenn der Bereicherungsanspruch vor Verjährungseintritt entstanden ist) als auch die Insolvenz (§ 94 InsO - unter den gleichen Voraussetzungen wie § 215 BGB) überdauern kann.
Eine schöne Darstellung der Problematik finden Sie übrigens bei BeckOGK/Looschelders, 1.12.2022, § 366 Rn. 64 ff.
Beste Grüße
Prof. Dr. Thomas Riehm

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riehm01
Offline Prof. Dr. Thomas Riehm
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