Guten Abend,
und vielen Dank für Ihre interessante Frage! Bei ganz genauer Betrachtung kann es § 280 I BGB eigentlich nie alleine geben - die Norm setzt ja eine Pflichtverletzung voraus, und üblicherweise zitiert man die verletzte Pflicht, wenn sie eine gesetzliche Grundlage hat, mit in der Anspruchsgrundlage. Das gilt für vertragliche und vorvertragliche Rücksichtnahmepflichten aus § 241 II BGB (ggfs. iVm § 311 II BGB), aber auch in Fällen, in denen, wie bei § 611 BGB oder auch § 677 I BGB, die Hauptleistungspflicht selbst (durch Schlechtleistung) verletzt wurde.
Beim gewährleistungsrechtlichen Schadensersatz ("Mangelfolgeschaden") hat es sich eingebürgert, die verletzte Pflicht (genaugenommen wäre das § 433 I 2, ggfs. zusammen mit § 434 BGB, bzw. beim Werkvertrag § 633 I, II BGB) nicht gesondert zu zitieren, sondern stattdessen § 437 Nr. 3 bzw. § 634 Nr. 4 BGB mit zu zitieren. Aus diesen Vorschriften ergibt sich die verletzte Pflicht implizit, weil die genannten Verweisungsnormen einen Mangel und damit die Pflichtverletzung selbst voraussetzen.
Damit kann es im Ergebnis eigentlich keinen Fall geben, in welchem man § 280 I BGB "ganz alleine" als Anspruchsgrundlage zitiert - irgendeine andere Norm mit Hinweis auf die verletzte Pflicht gibt es immer.
Der Unterschied zwischen § 280 I einerseits und § 280 I, III, 281/282/283 BGB oder § 280 I, II, 286 BGB andererseits ist ein anderer, der nichts mit der verletzten Pflicht zu tun hat (bei § 280 I, III, 282 BGB ist die verletzte Pflicht zB die gleiche Rücksichtnahmepflicht aus § 241 II BGB wie beim Anspruch aus §§ 280 I, 241 II BGB). Vielmehr geht es doch um die Unterscheidung der verschiedenen Schadenskategorien - bei § 280 I, III, x BGB Schadensersatz statt der Leistung, bei § 280 I, II, 286 BGB Verzögerungsschaden und bei § 280 I, x BGB sonstige Schäden. Aber ich nehme an, darauf war Ihre Frage gar nicht gerichtet.
Beste Grüße
Prof. Dr. Thomas Riehm