Universität Passau
Forum

Sehr geehrter Herr Professor Riehm,

mir stellte sich die Frage, wie sich der für viele selbstverständliche Anspruch auf Rückgeld bei einer Barzahlung begründet.

Gesetzt sei dazu der einfache Fall zwischen einem Verkäufer V und einem Käufer K: Die beiden einigen sich auf den Abschluss eines Kaufvertrages über ein beliebiges Produkt und vereinbaren einen Kaufpreis von acht Euro. Der K bezahlt mit einem Zehn-Euro-Schein und verlangt das Rückgeld.

Gibt es nun einen Anspruch (des K) auf die Übereignung von Rückgeld?

Meine Gedanken dazu sind:

I. Einen Bereicherungsanspruch nach § 812 I 1 Alt. 1 BGB
Für einen Bereicherungsanspruch nach § 812 I 1 Alt. 1 BGB muss der Anspruchsgegner etwas durch die Leistung des Anspruchstellers (ohne Rechtgrund) erlangt haben. Insbesondere bei der Leistung, welche ja als zweckgerichtete Vermögensmehrung definiert wird, tut sich bei mir folgende Frage auf: Einen Zweck verfolgt der K nur im Blick auf die Erfüllung der Schuld von acht Euro. Die übrigen zwei Euro haben doch praktisch gesehen keinen Zweck. Kann man deshalb die Annahme einer Leistung, wie sie in § 812 I 1 Alt. 1 BGB gefordert ist ausschließen, sodass kein Anspruch entsteht? Selbst wenn man den Anspruch nach § 812 I 1 Alt. 1 BGB bejaht, so könnte es sich doch auch um einen Fall nach § 814 Alt. 1 BGB handeln, der den Bereicherungsanspruch dahingehend vernichtet, wenn der Leistende wusste, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Es ist wohl unstrittig, dass der K Kenntnis davon hatte, dass er nur acht Euro schuldete. Damit scheidet wohl der Anspruch aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB aufgrund von § 814 Alt. 1 BGB aus.

II. Zusätzlicher Vertrag zwischen V und K
Könnte in konkludenter Weise, durch Hinhalten des Geldscheins und der erfolgten Annahme, noch ein weiterer Vertrag zwischen V und K zustande gekommen sein mit dem Vertragsinhalt den V zur Zahlung des Rückgeldes zu verpflichten?

III. Nebenpflichten aus dem Schuldverhältnis
Oder ist die Zahlung des Rückgeldes gemäß § 241 II BGB Teil der Nebenpflichten aus einem Schuldverhältnis, sodass das Rückgeld bei etwaiger Verletzung der Pflicht (bspw. kein Rückgeld zu geben), ein Anspruch nach § 280 I 1 BGB entsteht?

Im Voraus möchte ich mich für Ihre Antwort bedanken.

Mit freundlichen Grüßen
Fabian Ring

Abbrechen Vorschau
ring07
Offline Fabian Ring
Autor/-in
Beiträge: 8
Erhaltene "Gefällt mir!": 2
Link zu diesem Beitrag

Sehr geehrter Herr Ring,
vielen Dank für Ihre überaus scharfsinnige Frage! Die Lösung ist tatsächlich - wie bei vielen ganz alltäglichen Fragen - nicht trivial.
- Anfangen würde ich zunächst auf der sachenrechtlichen Ebene: Am überzeugendsten erscheint es mir anzunehmen, dass die Übereignung des 10 Euro-Scheins in Ihrem Beispiel konkludent unter der aufschiebenden Bedingung der Übereignung entsprechenden Rückgeldes erfolgt (s. dazu im Zusammenhang mit dem Geldwechseln Staudinger/Omlor, Vor §§ 244 ff. Rn. A 182). Damit wird schon einmal das Problem gelöst, dass der Verkäufer evtl. nicht herausgeben kann: Der Käufer könnte dann einfach aus § 985 BGB seinen 10 Euro-Schein wieder zurückverlangen. Wurden ihm andererseits die 2 Euro zurückgezahlt (=entsprechende Münzen übereignet und übergeben), tritt die Bedingung ein, und jeder hat den richtigen Betrag in der Kasse.
- Die sachenrechtliche Rechtslage muss dann aber auch noch schuldrechtlich abgesichert werden, damit keine Bereicherungsansprüche zwischen den Parteien entstehen, die das Ergebnis wieder durcheinanderbringen. Die schuldrechtliche Konstruktion dürfte entweder über einen teilweisen Tauschvertrag (bei konsensualer Abwicklung) oder (unabhängig von einem Konsens) tatsächlich über das Bereicherungsrecht gehen: Hinsichtlich des Merkmals der Leistung kann man den einheitlichen Übereignungsvorgang an dem 10 Euro-Schein nicht aufteilen, das ist ja nur ein Rechtsgeschäft. Diese Leistung erfolgt in der Tat zur Erfüllung der Verbindlichkeit von 8 Euro. § 814 BGB ist ein guter Gedanke, setzt aber als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal voraus, dass sich der Leistende widersprüchlich verhält, wenn er das wissentlich ohne Rechtsgrund Geleistete zurückfordert. Das ist hier nicht der Fall - ähnlich wie bei einer Leistung unter Vorbehalt der Rückforderung oder zur Abwendung der Zwangsvollstreckung (bei der § 814 BGB auch nicht greift) ist auch hier nach dem objektiven Empfängerhorizont klar, dass der Käufer auf das Rückgeld nicht verzichtet (es sei denn, er sagt ausdrücklich "stimmt so!"). Ihm steht daher auch schuldrechtlich ein Bereicherungsanspruch auf die zu viel gezahlten 2 Euro zu. Interessant ist dann allenfalls die Frage, was passiert, wenn der Verkäufer den 10 Euro-Schein nach der Übergabe verliert (zB er fällt bei der Geldübergabe in einen Gulli): Kann er sich hier auf § 818 III BGB berufen, um die 2 Euro nicht herauszugeben. M.E. nein, weil er hinsichtlich der Rückgabepflicht bösgläubig war (§§ 818 IV, 819 I BGB) und sich daher nicht auf § 818 III BGB berufen kann.

Aber es bleibt ein spannendes Problem!

Beste Grüße
Prof. Dr. Thomas Riehm

Abbrechen Vorschau
riehm01
Offline Prof. Dr. Thomas Riehm
Lehrende/-r
Beiträge: 390
Erhaltene "Gefällt mir!": 148
Link zu diesem Beitrag