Universität Passau
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Anonym 05.12.2021, 11:22
Fall Pizzaofen

Sehr geehrter Herr Prof. Riehm,

ich hätte noch eine Frage zu Frage Nr. 1 des Pizzaofenfalls. Wäre hier die Anspruchsgrundlage §§ 280 I, 241 II falsch bzw. unvertretbar (neben §§ 437 Nr. 3, 280 I)? Zwar verletzt der V seine Pflicht aus § 433  I 2 durch die mangelhafte Leistung, aber doch sogleich die Pflicht aus § 241 II, da er nicht auf die Rechtsgüter des K achtet, hier seine Gesundheit.

Im Anschluss daran hätte ich noch eine weitere Frage. Sinn und Zweck des Gewährleistungsrechts ist ja in erster Linie der Schutz des Rechts zur zweiten Andienung des Verkäufers. Daneben sind insbesondere die Verjährungsfristen kürzer. In einem Fall wie dem vorliegenden ist zwar auch der Pizzaofen kaputt, doch geht es dem Käufer doch gerade um den Ersatz seiner Körperschäden. Es hinge ja dann völlig vom Zufall ab, ob die Verletzung durch den Pizzaofen bspw. im Laden (vor Gefahrübergang) oder erst zu Hause (nach Gefahrübergang und damit im Gewährleistungsrecht) eintritt. Sind hier die Interessen des Käufers nicht höher zu gewichten, die man mit einem Weg über §§ 437 Nr. 3, 280 I schmälern würde? Ich verstehe den Sinn und Zweck des Mangelfolgeschadens nicht, denn der Sinn und Zweck des Gewährleistungsrechts passt hier meines Erachtens hier irgendwie nicht so richtig.

Vielen Dank im Voraus und ein schönes Restwochenende!

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Anonym
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Guten Tag,
vielen Dank für Ihre scharfsinnige Fragen! Ich denke, beide werden in der bereits aufgezeichneten Sitzung 11a vom 6.12.beantwortet, die erste bei 1:00h (Folie 116), die zweite bei 16:40min (Folie 113). Kurzfassung: Ihre erste Konstruktion wäre denkbar, ist aber im Konkurrenzwege verdrängt, weil dadurch die kurze Verjährung des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts unterlaufen würde. Ihre zweite Frage ist völlig berechtigt und Ihre dieser zugrunde liegende Auffassung wird in der Lit. tatsächlich auch vereinzelt vertreten (Nachweise und Diskussion bei BeckOK BGB/Faust, § 438 Rn. 9). Die Diskussion ist schon während des Gesetzgebungsverfahrens zu § 438 BGB geführt worden, und der Gesetzgeber hat sich nicht zu einer Einschränkung des Anwendungsbereichs veranlasst gesehen, sodass methodisch mE kein Weg zu einer Ausnahme von § 438 BGB für Mangelfolgeschäden führt. Sinn der kurzen Verjährung ist v.a., dem Verkäufer zu einer klar definierten Zeit Sicherheit darüber zu geben, dass wegen des Verkaufs der Sache nun keine Ansprüche mehr auf ihn zukommen werden, sodass er sein Risiko besser kalkulieren kann. Dieser Zweck greift auch (und gerade!) gegenüber Mangelfolgeschäden. Aber Ihre Punkte dagegen sind absolut valide und führen wie gesagt auch dazu, dass eine vertretbare Gegenmeinung zu dieser hM gibt.
Beste Grüße
Prof. Dr. Thomas Riehm

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riehm01
Offline Prof. Dr. Thomas Riehm
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Anonym 05.12.2021, 16:03
Prof. Dr. Thomas Riehm hat geschrieben:

Guten Tag,
vielen Dank für Ihre scharfsinnige Fragen! Ich denke, beide werden in der bereits aufgezeichneten Sitzung 11a vom 6.12.beantwortet, die erste bei 1:00h (Folie 116), die zweite bei 16:40min (Folie 113). Kurzfassung: Ihre erste Konstruktion wäre denkbar, ist aber im Konkurrenzwege verdrängt, weil dadurch die kurze Verjährung des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts unterlaufen würde. Ihre zweite Frage ist völlig berechtigt und Ihre dieser zugrunde liegende Auffassung wird in der Lit. tatsächlich auch vereinzelt vertreten (Nachweise und Diskussion bei BeckOK BGB/Faust, § 438 Rn. 9). Die Diskussion ist schon während des Gesetzgebungsverfahrens zu § 438 BGB geführt worden, und der Gesetzgeber hat sich nicht zu einer Einschränkung des Anwendungsbereichs veranlasst gesehen, sodass methodisch mE kein Weg zu einer Ausnahme von § 438 BGB für Mangelfolgeschäden führt. Sinn der kurzen Verjährung ist v.a., dem Verkäufer zu einer klar definierten Zeit Sicherheit darüber zu geben, dass wegen des Verkaufs der Sache nun keine Ansprüche mehr auf ihn zukommen werden, sodass er sein Risiko besser kalkulieren kann. Dieser Zweck greift auch (und gerade!) gegenüber Mangelfolgeschäden. Aber Ihre Punkte dagegen sind absolut valide und führen wie gesagt auch dazu, dass eine vertretbare Gegenmeinung zu dieser hM gibt.
Beste Grüße
Prof. Dr. Thomas Riehm

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Riehm,

zunächst einmal vielen Dank für Ihre ausführliche und schnelle Antwort. Die von Ihnen genannten Videoausschnitte und Fundstelle habe ich mir nun angesehen. Diesbezüglich habe ich noch zwei Fragen:

Bzgl. des Konkurrenzverhältnisses: Kann man die Anspruchsgrundlage §§ 280 I, 241 II hernehmen und dabei die Verjährungsfrist aus § 438 analog auf diese anwenden? So könnte man den Mangelfolgeschaden theoretisch sowohl direkt über das Kaufrecht (§§ 437 Nr. 3, 280 I) als auch über das allgemeine Leistungsstörungsrecht lösen. Dann wäre ersteres ja nicht verdrängt, ein Unterlaufen wäre dann nicht möglich.

Zu Frage zwei: Wenn man aus den von mir genannten Gründen die regelmäßige Verjährungsfrist gelten lassen möchte. Habe ich das richtig verstanden, dass man vertretbar den Mangelfolgeschaden aus §§ 437 Nr. 3, 280 I dann auch ganz ablehnen und einen solchen Fall rein über das allgemeine Leistungsstörungsrecht mit §§ 280 I, 241 II als Anspruchsgrundlage und der regelmäßigen Verjährungsfrist lösen könnte? Oder ist es nur vertretbar, §§ 437 Nr. 3, 280 I als Anspruchsgrundlage zu verwenden, aber dabei die regelmäßige Verjährungsfrist anzuwenden bzw. §§ 280 I, 241 II als Anspruchsgrundlage und § 438 analog (Frage 1) als Verjährungsfrist?

Nochmals vielen Dank!

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Anonym
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Guten Tag,
und erneut vielen Dank für Ihre Fragen!
Anonym hat geschrieben:
Prof. Dr. Thomas Riehm hat geschrieben:

 



Bzgl. des Konkurrenzverhältnisses: Kann man die Anspruchsgrundlage §§ 280 I, 241 II hernehmen und dabei die Verjährungsfrist aus § 438 analog auf diese anwenden? So könnte man den Mangelfolgeschaden theoretisch sowohl direkt über das Kaufrecht (§§ 437 Nr. 3, 280 I) als auch über das allgemeine Leistungsstörungsrecht lösen. Dann wäre ersteres ja nicht verdrängt, ein Unterlaufen wäre dann nicht möglich.

Zu Frage zwei: Wenn man aus den von mir genannten Gründen die regelmäßige Verjährungsfrist gelten lassen möchte. Habe ich das richtig verstanden, dass man vertretbar den Mangelfolgeschaden aus §§ 437 Nr. 3, 280 I dann auch ganz ablehnen und einen solchen Fall rein über das allgemeine Leistungsstörungsrecht mit §§ 280 I, 241 II als Anspruchsgrundlage und der regelmäßigen Verjährungsfrist lösen könnte? Oder ist es nur vertretbar, §§ 437 Nr. 3, 280 I als Anspruchsgrundlage zu verwenden, aber dabei die regelmäßige Verjährungsfrist anzuwenden bzw. §§ 280 I, 241 II als Anspruchsgrundlage und § 438 analog (Frage 1) als Verjährungsfrist?
 

Zu Ihrer ersten Frage: Wenn Sie § 438 BGB analog auf einen Anspruch aus §§ 280 I, 241 II BGB anwenden, ist das konstruktiv machbar, und damit sicher auch vertretbar - nur gewinnen Sie damit nichts. Die Voraussetzungen wären ja aus praktischer Sicht völlig identisch, und die Rechtsfolgen auch.
Zur zweiten Frage: Wenn Sie die regelmäßige Verjährung für Mangelfolgeschäden gelten lassen möchten, dann geht das mE auf zwei Arten: Entweder Sie reduzieren § 438 BGB teleologisch und schließen seine Anwendbarkeit auf den Schadensersatzanspruch aus §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB aus. Damit kämen Sie dann zur Anwendbarkeit der §§ 195, 199 BGB. Das wurde in der Tat in der früheren Lit. (um 2001) vertreten. Eine andere konstruktiv denkbare Lösung wäre es, den Anspruch aus § 437 Nr. 3, 280 I BGB zwar tatbestandlich zu gewähren, aber ggfs. an der Verjährung gem. § 438 BGB scheitern zu lassen. Dann würden Sie anschließend einen Anspruch aus §§ 280 I, 241 II BGB prüfen, auf den konsequenterweise die §§ 195, 199 BGB anzuwenden wären. Konstuktiv ginge das auf; allerdings müssten Sie in einer Klausur sehr gut erklären, warum dieser Anspruch a) ausnahmsweise nicht gesperrt sein sollte und b) die Verjährungsfrist nach § 438 BGB keine (analoge) Anwendung finden sollte, obwohl der Anspruch in der Sache auf einen Mangel gestützt wird. Dazu könnten Sie Ihre Argumente aus Ihrem ersten Forumsbeitrag verwenden - allerdings ist der Argumentationsaufwand tatsächlich immens, weil Sie sich gegen die gesamte hM wenden würden.
Beste Grüße
Prof. Dr. Thomas Riehm
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riehm01
Offline Prof. Dr. Thomas Riehm
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Anonym 12.12.2021, 20:02

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Riehm,

nochmals vielen Dank für die ausführliche und schnelle Beantwortung meiner Fragen, das hat mir ehrlich sehr weitergeholfen! :)

Ich wünsche Ihnen noch einen schönen dritten Advent!

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Anonym
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